Stimmen der Kantorei

Zum 40-jährigen Bestehen der Kantorei Salzwedel (2009) ist eine kleine Festschrift herausgegeben worden, in der einige Mitglieder ihre Erinnerungen und Besonderheiten aufgeschrieben haben. Hier folgen einige Artikel daraus.

Aber auch über das Jubiläum hinaus haben wir Chormitglieder über ihre Erfahrungen und Beweggründe befragt.

Ich bin Pfarrer im Ruhestand und war von 1975-1990 Pfarrer der St. Katharinen-Gemeinde. Da ich schon zwei Jahre vorher als Vikar in Salzwedel war, habe ich schon seit 1973 unter Kantor Barthels in der Kantorei mit gesungen. Als dieser in den Westen übersiedelte, habe ich mich darum bemüht, den noch studierenden Matthias Böhlert für die Kantorenstelle an Katharinen zu gewinnen.

Erinnerungen an die Kantorei Salzwedel

1983 war für die Kantorei ein schwieriges wie einschneidendes Jahr. Pfarrer Wilhelm Bischoff verabschiedete sich im August als Pfarrer der Katharinengemeinde, um ans Konsistorium nach Magdeburg zu gehen. Damit verlor die Kantorei nicht nur zwei Sänger (Frau und Herr Bischoff sangen in der Kantorei), sondern einen tatkräftigen Unterstützer.

Pfarrer Bischoff hat die Arbeit von Kantor Barthels immer mitgetragen und durch sein Engagement in der Katharinengemeinde zum Bestehen und Wachstum der Kantorei beigetragen.

Im September kam dann die Nachricht, dass der Ausreiseantrag, den Familie Barthels ein Jahr zuvor gestellt hatte, genehmigt wäre und sie innerhalb von 12 Wochen die DDR zu verlassen hätten. Mit so einer schnellen Genehmigung hatte keiner, auch Barthels‘ selbst nicht gerechnet. Im Oktober konnte ein letztes Konzert der Kantorei unter der Leitung von Joachim Barthels stattfinden, dann aber war der Chor verwaist und die Katharinengemeinde ohne Kantor.

Noch mit Kantor Barthels überlegte ich, wer möglichst bald seine Nachfolge antreten könnte, damit die Kantorei, die er aufgebaut hatte, nicht zerfiel. Wir wussten, dass Matthias Böhlert, der 1980 bei ihm ein Praktikum gemacht und einen guten Eindruck hinterlassen hatte, im kommenden Jahr sein Studium in Halle als A-Kantor abschließen würde. Nach dem Weggang von Kantor Barthels schrieb ich ihm, ob er sich vorstellen könne, die Stelle anzunehmen.

Im September 1984 trat dann Matthias Böhlert die Kantorenstelle der Katharinengemeinde und die Leitung der Kantorei an. Die erste gemeinsame Zeit war für den Chor wie für Kantor Böhlert nicht einfach. Frisch von der Hochschule gekommen hatte Matthias Böhlert hohe künstlerische Ansprüche, die er mit dem „Laienchor“ verwirklichen wollte, doch konnte dieser seinen Ansprüchen zunächst nicht gerecht werden und sah sich überfordert. Nach und nach aber stellten sich beide gut aufeinander ein. Die Proben machten Freude, die Aufführungen gelangen. Manche Aufführung war dabei mit großer Aufregung verbunden, was nicht an den Sängern oder dem Kantor lag, sondern an den Umständen unter denen sie stattfanden.

Im Dezember 1987 wollte die Kantorei das erste Mal Bachs „Weihnachtsoratorium“ in der Katharinenkirche aufführen. Da die Katharinenkirche nicht beheizbar ist, musste eine Möglichkeit gefunden werden, für die Aufführung die Kirche so zu erwärmen, dass die Instrumente nicht „einfrieren“ konnten. Durch die Feierabendbrigade, die in der Katharinenkirche regelmäßig arbeitete, wurde ein Ofen, der sonst zur Trocknung neuerrichteter Gebäude diente, besorgt und an der Nordseite der Kirche aufgestellt. Dieser Ofen war mit Koks zu beheizen. Von einem elektrogetriebenen Ventilator wurde über ein langes Rohr die warme Luft in die Kirche geblasen. Der Ofen musste Tag und Nacht geheizt werden. Sehr viel brachte das nicht, da die Wärme bekanntlich nach oben steigt und die Gewölbe in der Kirche hoch sind. Aber wir hofften, dass es ausreichen würde, um das Konzert aufführen zu können.

Bei der letzten Chorprobe vor dem Konzert, die wir in der Kirche abhielten, dann der Schreck: statt angenehm warmer Luft breitete sich beißender Qualm in der Kirche aus. Was war geschehen? Der Nachbar, den das Geräusch des Gebläses vom Ofen störte, hatte mit einer Axt das Elektrokabel des Gebläses durchtrennt. Das Feuer musste sofort gelöscht werden, damit nicht noch mehr Rauch in die Kirche zieht und der Ofen nicht explodiert. Schließlich trugen wir zur Verfügung stehenden elektrische Heizkörper zusammen, damit wenigstens die Streichinstrumente des Orchesters ein wenig Wärme hatten. Die Aufführung konnte stattfinden. So konnte auch am Schluss dieses Konzertes, der letzte Ton war noch nicht ganz verklungen, ein älterer Herr aufstehen, um seine Dankesrede zu halten. Das tat er, soweit ich mich erinnere, nach jeder Aufführung der Kantorei.

Vor den Aufführungen war es immer eine kleine Angstpartie, ob das Orchester und die Solisten, die wie heute auch von außerhalb kamen, gut und rechtzeitig in Salzwedel ankommen.

In welchem Jahr es war, weiß ich nicht mehr genau. Matthias Böhlert hatte Frau Abs aus Rostock als Solistin engagiert. Kurz vor der Generalprobe zum Konzert, teilte sie mit, dass sie nach Stendal weitergefahren sei und mit dem nächsten Zug zurückfahren würde. Dieser würde kurz vor Aufführungsbeginn in Salzwedel sein. Statt mit dem Chor zum Konzert in die Kirche einzuziehen, bin ich mit meinen Noten zum Bahnhof gefahren, um die mir noch unbekannte Sängerin abzuholen. Der Zug war glücklicherweise pünktlich. An den Noten erkannte Frau Abs mich als Abholer. Wir fuhren ins Pfarrhaus, wo sie sich schnell ein wenig frisch machte und umzog. Den Eingangsteil des Konzertes hatten wir verpasst, aber sie konnte noch ganz gelassen auf ihren Einsatz warten und ihre erste Arie singen.

Eine Begebenheit möchte ich noch erwähnen, weil sie typisch war für die damalige Zeit. Es war noch zu Barthels Zeiten. Das Berliner Orchester hatte vergessen für das Konzert die Pauken mitzubringen. Also wendeten wir uns an die Musikschule in Salzwedel, von der wir wussten, dass sie Pauken besaß. Der Direktor lehnte unser Ersuchen ab. In einer Kirche sollten seine „sozialistischen Pauken“ nicht erklingen. Jemand musste also nach Stendal fahren und von Kantor Lehman Pauken ausborgen. Diese erklangen dann in dem Konzert.

Joachim Hoffmann

Erfahrungen in der Kantorei Salzwedel

Du kommst als Konzerthörer zum ersten Mal in die Katharinenkirche und bist begeistert. Die Reinheit des Instrumentalspiels, der überzeugende Einsatz der großen Kantorei, die subtile Stimmführung der Solisten wird von der ordnenden Hand des Dirigenten zu einem bewegenden Klang zusammengeführt. Ob du dort mitsingen darfst? Von diesem Gedanken erfüllt verließen meine Frau und ich vor 10 Jahren die Aufführung von Mendelsohn-Bartholdys „Elias“. In der nächsten Woche wurden wir zur Probe in der Lateinschule herzlich begrüßt. Der Kantor Matthias Böhlert fragte nicht nach Vorkenntnissen oder nach Chorerfahrung, geschweige denn, dass wir vorsingen mussten. Wir bekamen Leihnoten und durften unserer Stimmlage gemäß im Sopran und Tenor Platz nehmen.

So begann eine Zeit, die alle unsere Vorstellungen vom Ruhestand übertraf, eine Zeit erfüllt mit Musik. Sie dauert bis heute und hoffentlich noch lange an.

Natürlich braucht es eine Weile, bis man in einer unbekannten Gemeinschaft warm wird. Die Nachbarn rechts und links machten es uns leicht. Schon nach kurzer Zeit kam das Gefühl auf, in einer großen Familie zu sein, doch anders als in einer normalen Familie gibt es keinen Zank und Streit. Keiner fühlte sich dem andern überlegen, jeder gibt sein Bestes, auch wenn es am Anfang noch nicht so gut geht. Das Weihnachtsoratorium war unsere erste Aufführung. Das hatten andere schon dreißig Mal gesungen. Und doch fühlten wir uns in dieser Gemeinschaft gut aufgehoben.

Jedes Stimmfach hat einen eigenen Repetitor, der – nach dem gemeinsamen Einsingen – mit Hilfe eines Klaviers die unbekannten Werke Stück für Stück einübt. In dieser kleinen Runde lernt man sich schätzen. Es bleibt auch Zeit für einen Austausch persönlicher Erlebnisse. Sogar persönliche Problemen können angesprochen werden. Nach einer Pause kommen Sopran, Alt, Tenor und Bass zur Gesamtprobe zusammen. Jetzt ist Matthias Böhlert in seinem Element. Nichts kann ihn aus der Ruhe bringen, keine falschen Töne, keine Patzer, kein Nicht-mehr-weiter-wissen. Die schwächelnde Stimme unterstützt er sofort mit dem Klavier, du bist ermutigt, weiter zu singen, du hast immer das Gefühl, bestärkt zu sein in deinem Bemühen, durch den Wald der Töne zu finden. Auch wenn du glaubst, es nicht schaffen zu können, am Ende steht das gute Gelingen.

Natürlich geht es nicht ohne Schwierigkeiten ab. Das fängt beim Aufbau der Podeste für die Konzerte an. Helfer sind nötig, ein Transport muss organisiert werden, Absprachen mit Hausmeistern und Küster sind zu treffen. Im letzten Jahr musste die Küsterstelle der Gemeinde ersatzlos gestrichen werden. Ein KMD macht Küsterdienst. Die Geldprobleme der Kantorei versucht ein Förderverein zu lindern. Bei anderen Problemen ist das nicht so einfach möglich. Im Winter muss immer ein heizbarer Raum für das Konzert gefunden werden. Erfreulicherweise stehen jetzt in der Lateinschule mehr Aufbewahrungsorte für Musikalien und Utensilien zur Verfügung. Auf der Liste notwendiger Anschaffungen steht ein Podest, ein großer Schrank und eine Verstärkeranlage.

Doch von diesen Schwierigkeiten merkt der Sänger nichts, der montags zur Probe kommt. Die Sängerin entdeckt im Sopran ein neues Gesicht. Wird sie eine Gastrolle geben oder ein ständiges Mitglied werden? Wir jedenfalls haben es zu keiner Zeit bereut, in die Kantorei gekommen zu sein, ganz im Gegenteil! Die Aufführungen großer Werke der Kirchenmusik sind doppelt und dreimal so wertvoll, wenn man selber dabei mitwirken kann. Dass das gar nicht so schwer ist, haben wir in der Salzwedeler Kantorei unter Matthias Böhlert in den zehn vergangenen Jahren erfahren.

Klaus Schartmann

Persönliche Erinnerungen an die Anfangszeit

1966 kam Joachim Barthels als Kantor an die St. Katharinengemeinde nach Salzwedel. Nach 10 jähriger Vakanz hatte sie nun wieder einen ordentlichen Kirchenmusiker. Bis dahin hatte Käthe Wellmann die Vertretung inne, indem sie zu den Gottesdiensten und Amtshandlungen die Orgel spielte und den Kirchenchor leitete. Dieser Chor war eine Schar sangesfreudiger Gemeindeglieder, die aus Lust am Singen zur Ehre Gottes und zur Erbauung seiner Gemeinde im Gottesdienst und wohl auch bei Gemeindefesten auftraten.

Als Kantor frisch vom Studium hatte er naturgemäß den Ehrgeiz, das kirchenmusikalische Programm auszubauen und auch Oratorien aufzuführen, die es bis dahin nur sporadisch durch auswärtige Chöre gegeben hatte. Er gründete auch einen Posaunenchor, indem er junge Leute warb, unter seiner Leitung ein Blasinstrument zu erlernen und gemeinsam zu musizieren. Zu diesen „Erstbläsern“ gehörte auch ich mit dem Flügelhorn. Er selbst übrigens blies Jagdhorn.

Barthels’ Frau Annerose, selbst Kantorin, gründete einen Kinderchor. Gemeindefeste wurden nun mit Chor, Kinderchor und Posaunenchor bereichert.

Schon bald musste Barthels gemerkt haben, dass der Chor bei Literatur, die über Choralsätze hinausging, schnell an seine Grenzen kam. So regte er an, dass die stimmsicheren Sänger, die Lust hatten zu anspruchsvolleren Chorstücken, sich zu einem kleinen Sonderchor zusammenfanden, zu dem ebenfalls Sänger aus anderen Gemeinden sowie kirchliche Mitarbeiter aus der Region eingeladen wurden. Dieser Chor nannte sich anfangs „Kleiner Chor“, um ihn vom Kirchenchor, der weiterhin die üblichen Gottesdienstauftritte hatte, zu unterscheiden.

Monatlich traf sich dieser kleine Chor zusätzlich. ///Leider erinnere ich mich an den ersten Konzertauftritt nicht mehr, da ich selbst erst 1968 dazukam. Die Idee hatte Erfolg; und in der nächsten Zeit wuchs der kleine Chor in Mitgliederzahl und Repertoire, sodass die Bezeichnung „Kleiner Chor“ längst nicht mehr zutreffend war. Ich kann auch nicht mehr sagen, wann dann der Name „Kantorei“ aufkam; es war aber recht bald.

In dieser Zeit war Joachim Barthels als ungedienter Reservist zu einem halbjährigen NVA-Dienst einberufen worden. In der Zeit seines Ausfalls waren wir Bläser in den Posaunenchor der Mariengemeinde eingegangen. Das blieb auch so, als Barthels wieder zurückkam; nur dass er jetzt die Leitung des Gesamtposaunenchores übernahm. Was lag näher, als auch die Kirchenchöre der beiden Gemeinden zusammenzulegen, zumal Frau Barthels unterdessen als Kantorin der Mariengemeinde angestellt worden war. Nach einer kurzen Versuchszeit blieb aber bald jeder Chor wieder für sich; lediglich der Posaunenchor blieb vereint. Und aus beiden Kirchenchören und mit Sängern von nah und fern rekrutierte sich die gefestigte und hochmusikalisch sich entwickelnde Kantorei mit jährlichen Auftritten. Ich erinnere mich an eine Passion von Schütz, an die Matthäus- und die Johannespassion von Bach, an den Messias von Händel, auch an kleinere Stücke, wie „Meinen Jesum lass ich nicht“ von Max Reger.

Barthels holte sich Orchester und Solisten heran. Die Konzerte fanden in der Marienkirche statt, weil die Katharinenkirche sich in jahrelanger, kein Ende abzusehender Renovierung befand. Später waren die Konzerte in der Lorenzkirche. Es wurde jedes Mal ein Tonbandmitschnitt gemacht. Zur Freude der Sänger wurde der später angehört und ausgewertet.

Meine Mitwirkung in der Kantorei dauerte bis 1976. Ich habe die Montagsproben mit Anstrengung und Konzentration in guter Erinnerung. Es machte oftmals Mühe – am Abend nach einem Arbeitstag. Ich erinnere mich an strahlende Sänger, wie Pfarrer Müller, Herr Krysmansky oder Herr Wellmann. Am Abend des Konzertes wurden alle Anstrengungen reich belohnt durch eine gelungene Aufführung, durch die Herzenswärme des Vortrags, durch die brillanten Parts der Solisten – und immer durch die gehobene Stimmung bei Musizierenden und Hörenden.

Horst Dietmann

Pfarrer Simon ist bereits von 1966 bis 1981 Sänger in der Kantorei gewesen. Jetzt erst seit Herbst 1996 singt er wieder mit seiner Frau aktiv im Chor. Er hält während der Proben immer kurze aber sehr interessante Vorträge zu den aktuellen Stücken und begrüßt bei Konzerten herzlich das Publikum.

Die Erinnerung ist wie ein flüchtiges Tier

… man sieht sie, und wenn man sie fassen will, läuft sie davon. Ich will verusuchen, in meiner Erinnerung ganz weniges aus dem Anfang der Kantorei Salzwedel zu erhaschen. Es war im Jahr 1966, als Kantor Barthels nach Salzwedel kam; Joachim Bartels an die Katharinen-Gemeinde, Annerose Barthels an die Mariengemeinde. Und es ist wohl auch im gleichen Jahr gewesen, daß wir – angeführt von Bernd Barthels, dem Bruder des Kantors und damaligem Pfarrer in Stappenbeck – den Kantor baten, mit uns zu singen.

Wir waren vielleicht 5 oder 6 Ehepaare, alle im kirchlichen Dienst. Zunächst dachten wir nicht an aufführungsreife Musik. Wir wollten singen. Vorbild war wohl damals die „Altmärkische Kantorei“, zu der wir gehörten, die aus kirchlichen Mitarbeiter der ganzen Altmark bestand: Wir wollten so etwas ähnliches hier im Kleinformat schaffen. Der Kantor sagte zu und wir begannen. Womit? Ich weiß es nicht mehr. Wir haben für diese kleine Singtruppe wohl unter Freunden etwas Reklame gemacht, sodaß noch einige hinzukamen – nicht nur Ehepaare. Mit der Zeit wurde unser Singen „aufführungswürdig“.

Als erstes kann ich mich an eine Adventsmusik 1967 erinnern, die ich selbst leider nicht mitsingen konnte, weil ich unsere 3 Kinder zu Hause hütete, damit meine Frau mitsingen konnte. An weitere Aufführungen erinnere ich mich, ohne eine zeitliche Abfolge angeben zu können: Schütz, Matthäuspassion; Reger, Meinen Jesum laß ich nicht; Schütz, Weihnachtshistorie; Bach, Weihnachtsoratorium, wohl auch einige Bach-Kantaten: Himmelkönig sei willkommen, Nun komm der Heiden Heiland… Die Aufführungen fanden in der Marienkirche (z. B. Reger) oder in der damals ganz neu heizbaren Lorenzkirche statt (Weihnachtshistorie, Weihnachtsoratorium, wohl auch die erste Adventsmusik). Der ökumenische Kontakt war gut, wir konnten die Lorenzkirche nutzen; der damalige katholische Pfarrer Beck sang auch von Anfang an mit bei uns. Schließlich wurde daraus die Kantorei Salzwedel (1969).

Mitsänger aus der ersten Zeit: Henriette und Bern Barthels (Stappenbeck), Barbara und Manfred Müller (Kuhfelde), Martha und Rudolf Krause (Jeggeleben), Walburg und Eberhard Simon (Fleetmark), Elisabth Urmoneit (Plathe), Irmgard Marx (Kl. Garz – noch heute im Alt dabei!), Christa Meyer (Fleetmark), Hedi und ? Joswig (Kakerbeck), Frau Bronisch (Gardelegen), Pfr. Beck (Salzwedel), Christfried Ewers (Lindstedt)… Sicher waren noch andere dabei, die ich wiederum in meiner Erinnerung nicht mehr finde. Die Kantorei wuchs recht schnell und aus dem Kirchenkreis Gardelegen stießen manche dazu. Meine Frau und ich sind bis Herbst 1981 dabei gewesen, dann nach Stendal gegangen und jetzt erst Herbst 1989 wieder dazugestoßen.

Eberhard Simon

Eine West – Ost – Geschichte

1970 kam ich nach Wustrow ins Wendland. Von hier waren die Kirchtürme von Salzwedel und auch die schier unüberwindlichen Grenzbefestigungs-anlagen davor zu sehen. Die alten Menschen aus Wustrow erzählten oftmals Geschichten von dieser Stadt in der Altmark, in der sie zur Schule gegangen sind, eingekauft und an kulturellen Ereignissen teilgenommen hatten. Für mich entstand ein Bild im Kopf, etwa wie das „goldene Prag“, eine Stadt, die ich auch lange nicht kannte. Als Chorsänger wandte ich mich in die 70 km entfernte Stadt Lüneburg an die dortige Nikolaikirche. Zu den Oratorien machte ich allerdings nur die Proben in den letzten Wochen vor den Aufführungen mit.

Und dann kam plötzlich die Wende. Salzwedel war dann doch nicht ganz mit Prag zu vergleichen, aber man spürte die Bedeutung dieser Stadt in der Vergangenheit, und ich musste immer wieder „rüber“ fahren.

Eines Tages erhielt ich eine Karte von einem Kantor Matthias Böhlert, mit der Anfrage, ob ich nicht im Tenor beim Requiem von Mozart mitsingen könnte. Da konnte ich ja nicht ablehnen: Mozart! Und dann noch dazu vor der Haustür, sprich in Fahrradentfernung! Und ja auch nur vom April bis Oktober. Danach dann das Weihnachtsoratorium „musste“ ich ja einfach mitsingen, die schöne Johannespassion konnte ich mir auch nicht entgehen lassen und so ging es weiter und weiter…

Warum singe ich heute noch in der Kantorei? Das hat hauptsächlich drei Gründe:

– Ganz wesentlich hängt es von der Person Matthias Böhlert ab. In musikalischer Hinsicht ein Meister seines Fachs, mit pädagogischem Geschick, so dass auch viele Proben schon ein Genuss sind. Bei den Aufführungen behält er stets die Fäden in der Hand, gibt die Einsätze verlässlich und präzise, überträgt allen Beteiligten ein Gefühl von Sicherheit. Gleichrangig steht für ihn neben der musikalischen Interpretation auch die Bedeutung des jeweiligen Textes.

– Für mich als Laiensänger ist es immer ein bewegendes Erlebnis, die großen Chorwerke mit Orchester und ausgezeichneten Solisten einzustudieren und aufzuführen.

– Eine Erfolgsgeschichte ist ferner die Harmonie, die im doppelten Sinne innerhalb des Chores besteht. Menschen aus ehemaligen getrennten Staaten singen, feiern und reden nun seit etwa 20 Jahren miteinander. Kann es was Besseres geben?

Eberhard Jacobshagen

(links im Bild) ist im Jahr 2001 zu ersten Mal zum Weihnachtsoratorium nach Salzwedel gekommen. Mit mehreren erfahrenen Chorsängern aus Berlin stieß sie dazu, da sie durch die Veröffentlichung der Bach-Gesellschaft erfahren hatten, dass in Salzwedel alle 6 Teile des WO gesungen werden. Susanne wohnt jetzt in Potsdam, singt dort in einem Chor und hat vorher längere Zeit in Berlin in der berühmten Sing-Akademie zu Berlin mitgesungen. In Potsdam und Berlin gibt es ja eine große Auswahl an Chören, und da wollte ich gerne wissen, warum sie nun schon so lange Zeit den weiten Weg in die Altmark auf sich nimmt. „Ich fühle mich schon gar nicht mehr als Gast in der Kantorei. Ich bin hier von vielen so nett aufgenommen worden und zu der Familie Simon, wo ich Quartier gefunden habe, ist eine gute Freundschaft entstanden. Nicht zu vergessen ist auch die menschliche und musikalische Qualität des Chorleiters Matthias Böhlert. Hinter Berlin müsst ihr euch nicht verstecken.“

Eberhard Jacobshagen

21.11.2014

Die jüngste Sängerin der Kantorei: Sandra Ritter Benecke

Bevor ich die Kantorei Salzwedel kennenlernte, sang ich etwa ein Jahr in unserem Gemischten Chor Zasenbeck Hanum. Einer unserer Sänger, Jochen Doermer, singt auch dort mit und hat wochenlang auf mich eingeredet, dass ich mir doch mal ein Konzert anhören soll. Ich hatte mit klassischer Musik noch nie zuvor etwas am Hut gehabt und hatte eigentlich nur zugestimmt um Ruhe zu haben.

Als ich am 1. Advent 2008 zum ersten Mal das Weihnachtsoratorium von J. S. Bach in Salzwedel gehört hatte, war die Musik gar nicht mal das ausschlaggebende. Mich hat dieser, für mich sehr gewaltige Chorumfang und die Professionalität begeistert.

Die Möglichkeit in einer schönen, großen Kirche mit namhaften Profi-Solisten und einem professionellem Orchester zu singen, war sehr verlockend.

Von meinem damaligen Wohnort Zasenbeck (nahe Wittingen) konnte ich eine Zeitlang mitgenommen werden. Die Probentage (Montags) waren so stressig für mich, weil ich im Anfang meines Berufslebens stand. Ich wollte schon alles hinschmeißen (weil ich auch noch die Fahrgemeinschaft verpasst hatte) und wütend war, weil mir die Stücke, die wir für 2009 probten, so schwer fielen. Vivaldis ‚Gloria‘ und Dvoraks ‚Stabat Mater‘ sollten aufgeführt werden. Jemand hatte wohl irgendwas mitbekommen, dass ich wieder aufhören wollte und Herr Böhlert wollte mich schon verabschieden. Ich hatte mir vorgenommen mir noch 3 Proben Zeit zu geben, um zu entscheiden ob ich dabei bleibe oder nicht.

Der ausschlaggebende Punkt war das ‚Eja Mater‘ aus ‚Stabat Mater‘. Ich fand dieses Stück so toll, dass ich es unbedingt in der Kirche singen wollte. So bin ich dabeigeblieben und habe noch viele, viele schöne Stücke kennengelernt. Die Aufführung war so überwältigend schön, dass ich dieses Gefühl gar nicht missen möchte.

Nach dem Weihnachtskonzert 2009 drückte mir Herr Böhlert, den ich Matthias nennen darf, eine Einladung zur Konzertreise des Jugendchors nach Paris in die Hand. Spontan ich bin Anfang Februar 2010 mitgefahren. Seitdem singe ich im Jugendchor und unterstütze dort den Alt. Der Jugendchor ist mit seinen moderneren, temperamentvolleren Liedern, Musicals und Oratorien ein schöner Ausgleich zur Kantorei und zum Beruf.

Im Jugendchor nehme ich an den Konzertreisen teil, betreue andere (vor allem Minderjährige), plane und organisiere die Reise mit, teile die Zimmer ein. Ich bin Ansprechpartnerin für fast alles.

Sowohl in der Kantorei als auch im Jugendchor übernehme ich auch Büroarbeiten, helfe aufzuräumen und beim Aufbau der Podestanlage bei den Konzerten. Oft bin ich auch Trösterin gefordert, wenn Jugendliche mal Liebeskummer haben.

Ich lasse so gut wie nie eine Probe ausfallen, halte Kontakt zu dem Partnerchor in Bremen und zu anderen Chorsängerinnen und -sängern, die regelmäßig zu den Aufführungen der Kantorei nach Salzwedel kommen. Neben den Proben sammele und vervielfältige ich die spontanen geistreichen Bemerkungen und Vergleiche bei den Proben, mit denen Kantor Matthias Böhlert die Kantorei immer wieder zum Schmunzeln bringt.

Es freut mich, wenn ich nach meiner Arbeit geistig und musikalisch herausgefordert werde, da ich die Kantorei wie meine Familie empfinde, die mir oft Auftrieb und Halt gibt. 2011 zog ich nach Salzwedel um, um den Chören und der Arbeit nahe zu sein. Ohne die Kantorei und dem Jugendchor würde mir ein großes soziales Netz fehlen sowie ein riesiges Stück Lebensqualität.

Sandra Ritter Benecke

26.11.2014

„Ich freue mich jeden Montag auf die Proben und die netten Menschen dort! Das Singen in der Kantorei bedeutet für mich eine Bereicherung.“ So äußerte sich Henriette Spielvogel (Bildmitte) nach der Aufführung des Weihnachtsoratoriums am 1. Advent 2013.

Es ist schon üblich, dass nach den intensiven Generalproben und den anschließenden Konzerten noch viele Sängerinnen und Sänger zusammen bleiben, um etwas zu essen und zu trinken, das Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen und sich dabei besser kennen zu lernen. So auch diesmal wieder im Gemeindesaal der St. Lorenz Kirche.

Henriette kann auf viele Jahre Singerfahrung in Kirchenchören zurückblicken. Sie traute sich nach ihrem Umzug in die Altmark vor drei Jahren zunächst nur im Gemeindechor der Katharinenkirche mit zu singen. Herr Böhlert ermutigte sie aber bald den Sprung in die Kantorei zu wagen, und das bedeutet nun auch für die Kantorei eine Bereicherung.

Eberhard Jacobshagen

04.12.2014

Die Begeisterung für J. S. Bach haben Lis und Karlo Schaller schon als Studenten zusammengeführt. Während einer Einstudierung der h-Moll-Messe, die sie dann 1968 auch in Prag aufführten, beschränkte sich die Begeisterung nicht nur auf den alten großen Meister. Nach dem Examen zogen sie nach Duisburg, heirateten, bekamen eine Tochter (jetzt gibt’s auch zwei Enkel), und arbeiteten als Grundschullehrerin und als Verfahrens-Ingenieur.

Und natürlich sangen sie in diversen Chören; ihr „Heimatchor“ ist die Salvator-Kantorei in Duisburg. Inzwischen sind beide im Ruhestand und nutzen ihre nun gewonnene Freiheit und Beweglichkeit auch zum „Chortourismus“. Sie finden es sehr schön, mit anderen Chören und unterschiedlichen Chorleitern die großen Oratorien und geistlichen Werke singen zu können.

Durch die Mitteilungen der Bachgesellschaft, wo Karlo schon seit Jahrzehnten Mitglied ist, erfuhren die beiden, dass im September 2007 in Salzwedel die vier großartigen Kantaten, die Bach für das Michaelisfest geschrieben hat, aufgeführt werden sollten. Diese Chance musste genutzt werden. Ein Anruf bei Matthias Böhlert, und sie spürten sofort, dass sie in Salzwedel gern gesehen würden. Es stellte sich schnell heraus, dass der erste Eindruck nicht getäuscht hatte. Zuerst mit Eberhard Simon, und dann mit vielen anderen kam ein freundschaftlicher Kontakt zustande, so dass sie sich bald „heimisch“ fühlten. Dazu beigetragen haben auf jeden Fall auch die Probenwochenenden im gemütlichen Pisselberg.

An Matthias Böhlert schätzen sie seine Freundlichkeit, Milde, überraschenden Einfälle und verbindliche Kritik, die nicht verletzend wirkt, aber notwendig ist, um seine musikalischen und inhaltlichen Vorstellungen zu verwirklichen. Als wunderbar empfinden Lis und Karlo auch, mit einem so guten Orchester (die Trompeten!) und solch hochkarätigen Solisten zusammen musizieren zu können. Es ist schön, dass Matthias Böhlert auch immer neue Werke erarbeitet. Manche Stücke haben Lis und Karlo entweder noch nie, oder seit vielen Jahren nicht mehr gesungen.

Eberhard Jacobshagen